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Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert wird.

 Linz, 21. Juni 2022

Stellungnahme von pro mente Austria - Österreichischer Dachverband der Vereine und Gesellschaften für psychische und soziale Gesundheit - zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert wird.

pro mente Austria ist der Dachverband von 24 gemeinnützigen Organisationen, die in Österreich im psychosozialen und sozialpsychiatrischen Bereich tätig sind.

Ziel von pro mente Austria ist es, das Leben und die Versorgung von Menschen mit psychischen Problemen nachhaltig zu verbessern und sie und ihr soziales Umfeld zu unterstützen und zu stärken. Das Angebot der 24 Mitgliedsorganisationen von pro mente Austria ist breit gefächert. Sie betreuen österreichweit mit rund 4.600 Mitarbeiterinnen jährlich ca. 100.000 Menschen mit psychischen oder psychiatrischen Problemen bzw. Erkrankungen. Aus diesem Grund bezieht sich die Stellungnahme auf den Text aus dieser Sicht.

Zu § 83a Abs 2 Z 4a der vorgeschlagenen Fassung:
Wir regen an, neben der Verabreichung auch die Vorbereitung von subkutanen Injektionen und subkutanen Infusionen zu ergänzen bzw: die Ermächtigung zur Vorbereitung klarzustellen. Damit könnten Versorgungslücken in der längerfristigen Betreuung, Begleitung und somit auch Pflege in der außerstationären psychosozialen Versorgung verhindert werden.

Weiters erachten wir es dringend erforderlich, in den Tätigkeitsbereich der Pflegefachassistenz die Infusion von Schmerzmitteln (Opioide) in den Gesetzesvorschlag aufzunehmen. Damit könnten ebenso Versorgungslücken in der längerfristigen Betreuung, Begleitung und somit auch Pflege in der außerstationären psychosozialen Versorgung verhindert werden.

Hintergrund beider Vorschläge ist, dass die Personalsituation für die oben angeführten Pflegesituationen in der außerstationären psychosozialen Versorgung immer schwieriger wird und wir somit diese prekäre Situation zumindest personaltechnisch etwas abfedern könnten. Festhalten möchten wir noch, dass dies nicht zwingend auf den stationären Krankenhauskontext zutrifft.

Weitere wichtige Themen für die Versorgungssicherheit in der Betreuung, Begleitung und Pflege von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen:

Änderungen im Bereich der „Unterstützung in der Basisversorgung" - Veränderung in der Auslegung der 12-Personen-Grenze in§ 3a GuKG:

In unseren Tätigkeitsfeldern arbeiten viele Menschen mit unterschiedlichsten Qualifikationen und Grundausbildungen - und somit auch Quer- und Neueinsteigerinnen. Mitarbeiterinnen ohne Ausbildung in einem Sozialbetreuungsberuf, aber mit dem absolviertem Ausbildungsmodul UBV, ist die Durchführung unterstützender Tätigkeiten in der Basisversorgung erlaubt (z. B. Körperpflege, Nahrungsaufnahme, Bewegung). Diese Tätigkeiten sind aber nur unter der Voraussetzung erlaubt, dass die Gruppengröße der zu Betreuenden höchstens 12 Menschen mit Beeinträchtigungen umfasst. Dabei ist die Gruppengröße unabhängig davon, wie viele Personen in der jeweiligen Gruppe einen tatsächlichen Bedarf an unterstützenden Tätigkeiten in der Basisversorgung bzw. an pflegerischen Tätigkeiten haben. Ein Alltagsbeispiel dazu: Wenn in einer Gruppe von 13 Personen nur eine Person UBV-Bedarf hätte, dürften die Mitarbeiterinnen nicht tätig sein. Hätten in einer Gruppe von 12 Personen aber 10 Personen UBV-Bedarf, wäre die Tätigkeit erlaubt. Diese Regelung muss unbedingt und dringend auf die Alltagstauglichkeit abgeändert werden und darf somit nicht an der starren 12 Personen-Grenze weiterhin verharren. Im Ergebnis muss auf den faktischen Pflegebedarf wenn eine Personenobergrenze eingeführt wird - abgestellt werden.

Eine einfache Lösungsmöglichkeit wäre, die während der Corona-Pandemie geltende Ausnahme als Dauervariante aufrechtzuerhalten bzw. als Grundregel (neu) einzuführen. Die alltagstauglichen Erfahrungen haben gezeigt, dass mit dieser neuen Regelung ein gutes Auskommen und qualitativ hochwertige Arbeit auch in Corona-Pandemie-Zeiten möglich war.

Ausweitung der Kompetenzen von Pflegefachassistentinnen zur bedarfsgerechten Versorgung insbesondere in der längerfristigen außerstationären Pflege - sowohl im mobilen als auch außerstationären Setting:

Die Ausweitung der Kompetenzbereiche sollte v. a. folgende Bereiche umfassen - mit dem Ziel, den gehobenen Dienst weiter zu entlasten:

• Unterstützung und Förderung der Aktivitäten des täglichen Lebens.
• Mitwirkung bei der Anleitung, Begleitung und Beurteilung von Auszubildenden im Rahmen der Kompetenzen.
• Mitwirkung in der psychosozialen Betreuung in der Gesundheits- und Kranken pflege

Ausweitung der Kompetenzen der Heimhilfe zur bedarfsgerechten Versorgung insbesondere in der längerfristigen außerstationären Pflege - sowohl im mobilen als auch außerstationären Setting:

Die Ausweitung der Kompetenzbereiche sollte v. a. folgende Bereiche umfassen - mit dem Ziel, den gehobenen Dienst weiter zu entlasten:

• Berechtigung, Augentropfen zu verabreichen.
• Berechtigung zur Körperpflege bei desorientierten Bewohnerinnen.
• Berechtigung zur Grundpflege (d.h. insbesondere das Waschen) bei Bewohnerinnen mit Sonden, Stoma oder Verbänden - Versorgung Sonden, Stoma, Verbänden (Hinweis: Dies ist bisher nur den Berufsgruppen Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz und den DGKP vorbehalten).
• Berechtigung zu Transfer und Begleitung von immobilen und/oder sturzgefährdeten Bewohnerinnen.
• Ermächtigung zur Blutdruckkontrolle.

Änderungen im Bereich der „Unterstützung in der Basisversorgung" - Zivildiener:

Zivildiener durften von 2013 bis 2017 eine UBV-Ausbildung in den ersten Dienstmonaten absolvieren. Seit 2017 ist diese Regelung ausgelaufen. Es wird dringend ersucht, diese Berechtigung wieder einzuführen.

pro rnente Austria bedankt sich an dieser Stelle für die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme und ist sehr gerne bereit, in einem weiteren partizipativen Prozess ihre Expertise einzubringen - v. a. was die Bedürfnisse, Fähigkeiten und Möglichkeiten von Menschen mit psychiatrischen, psychischen oder psychosozialen Problemstellungen betrifft.

Mit dem Ersuchen um Berücksichtigung obiger Ausführungen verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen

PDoz.Dr. Günter Klug
Präsident pro mente Austria