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Stellungnahme zum COVID-19 Impfpflichtgesetz - COVID-10-IG (164/ME)

Sehr geehrte Damen und Herren!

pro mente Austria, der Österreichische Dachverband für Vereine und Gesellschaften für psychische und soziale Gesundheit, bestehend aus 24 Mitgliedsorganisationen, erlaubt sich fristgerecht folgende Stellungnahme zum Bundesgesetz über die Impfpflicht gegen COVID-19 zu übermitteln:

§ 1 – Impfpflicht
14. Lebensjahr – Hinweis auf „Vollendung des 14. Lebensjahres“: Da die Impfpflicht erst ab dem vollendeten 14. Lebensjahr gelten soll, wäre die „Vollendung“ des 14. Lebensjahres im Gesetzestext (analog zu den Erläuternden Bemerkungen/EB zum Ministerialentwurf/ME) zu ergänzen.

§ 2 – Begriffsbestimmungen
In § 2 Z 3 lit e des Gesetzesentwurfes ist die „Impfserie aus drei Impfungen“ normiert. An dieser Stelle sehen wir die Notwendigkeit, eine möglicherweise zusätzlich notwendige Impfung auf Grundlage des § 4 Abs 7 in die Definition der „Impfserie“ mit aufzunehmen.

§ 3 – Ausnahmegrund „Gefahr für Leben oder Gesundheit“
In den Erläuternden Bemerkungen (EB) zum Ministerialentwurf (ME) sind zu § 3 auf den Seiten 5 und 6 demonstrativ folgende Ausnahmegründe aufgezählt:
1. Kontraindikationen gegen Impfstoffe.
2. (Sehr seltene) Allergien gegen Inhaltsstoffe von Impfungen.
3. Krankheitsbilder, die zur Folge haben, dass Personen vorübergehend oder dauerhaft nicht impfbar sind, wie z.B. bei schwerer Immunsuppression, im akuten Schub einer Autoimmunerkrankung oder aufgrund von akuten Infektionskrankheiten.

In weiterer Folge wird in den EB zum ME ein Nutzen-/Risikoverhältnis angeführt, das zu einer vorübergehenden oder dauerhaften Zurückstellung von der Impfung in Einzelfällen führt, konkret z. B. bei Hochdosis-Immunsuppression. Dabei kann eine Re-Evaluierung des Gesundheitszustandes im Intervall von drei Monaten sinnvoll sein, wobei folgende Personengruppen (taxativ) angeführt werden:

1. Allergie oder Überempfindlichkeit gegen einzelne Inhaltsstoffe (mit Verweis auf Details siehe Kapitel „Allergie, Anwendungsempfehlungen COVID-19-Impfungen“),
2. bis zu sechs Monate nach Organtransplantationen,
3. Graft vs. Host Disease,
4. bis drei Monate nach Stammzelltransplantation oder
5. akuter Schub einer schweren inflammatorischen/Autoimmun-Erkrankung bis zu Stabilisierung des Krankheitsbildes.

In § 3 Abs 5 und 6 wird der Bundesminister ermächtigt, inhaltliche Vorgaben im Hinblick auf den hier angeführten Ausnahmegrund der Gefahr für Leben oder Gesundheit (Abs 5) sowie weiterer Spezifizierungen (z. B. Zulassung von Impfstoffen, Änderung des Standes der Wissenschaft – vgl. Abs 6) zu erlassen.

Die Normierung einer bloßen Verordnungsermächtigung iZm der näheren Determinierung der von der Impfpflicht befreiten Personengruppen erscheint in diesem Blickwinkel aus folgenden Gründen unzureichend:
Aus dem in Art 18 B-VG normierten Legalitätsprinzip leitet der VfGH seit jeher das an den Gesetzgeber gerichtete Gebot ab, Regelungen zu treffen, die inhaltlich ausreichend bestimmt sind. Dabei werden die Anforderungen an den Determinierungsgrad für die jeweilige Rechtsnorm nach deren Adäquanz für den spezifischen Regelungsgegenstand bemessen („differenziertes Legalitätsprinzip“).
An Rechtsnormen, die eine Verpflichtung zur Vornahme eines Eingriffs in die körperliche Integrität der Rechtsunterworfenen zum Gegenstand haben, werden hinsichtlich ihres Determinierungsgrades wohl höchste Maßstäbe anzulegen sein. Der VfGH hat auch in anderen Belangen gefordert, dass der Inhalt einer Regelung so weit bestimmbar zu sein hat, dass der/die Rechtsunterworfene sein/ihr Verhalten danach richten kann (vgl zB VfGH 13.12.1988, B 1450/88, VfSlg 11.937). Diese Sichtweise wird insb. auf solche Regelungsvorhaben zu übertragen sein, die sich direkt an einen derart breiten Adressat*innenkreis richten, wie die hier vorgeschlagene Impfpflicht. Beschränkt sich der Gesetzestext wie in der vorgeschlagenen Fassung des § 3 Abs 5 leg cit auf die Umschreibung lebens- oder gesundheitsbedrohender Umstände und fehlt es somit an einer taxativen (oder zumindest demonstrativen) Auflistung konkreter Ausnahmetatbestände bzw. -krankheitsbilder im Gesetz selbst, erscheint es zumindest fraglich, ob dieselbe dem verfassungsmäßigen Bestimmtheitsgebot genügend Rechnung trägt. Daran vermag auch die (beispielhafte?) Angabe erfasster Personengruppen in den Erläuterungen nichts zu ändern, da Gesetzesmaterialien zwar unterstützend zur Auslegung von Rechtsnormen herangezogen werden, für sich genommen jedoch keinerlei Rechtswirkung entfalten und insb. von der angesprochenen breiten Bevölkerung wohl nur in den seltensten Fällen wahrgenommen werden.
Um die nötige Flexibilität bei der Erfassung möglicherweise bisher nicht bedachter, aber dennoch berücksichtigungswürdiger Gesundheitszustände sicherzustellen, erscheint der Weg einer (in weiterer Folge auch aus dem Blickwinkel des Bestimmtheitsgebots ausreichenden) Konkretisierung des § 3 Abs 1 Z 2 leg cit im Verordnungswege dennoch als sachgerecht. Im Sinne der oben dargestellten Bedenken und damit auch in jenem der Rechtssicherheit der Normadressat*innen sollte der zuständige BM jedoch nicht bloß zur Erlassung derselben ermächtigt, sondern – mit zeitlicher Bindung zum Inkrafttreten des COVID-19-IG – verpflichtet werden.

§ 3 – Ausnahmegrund „psychische Gesundheit“
In den EB zum ME wird zu § 3 auf Seite 6 ausdrücklich klargestellt, dass der Ausnahmegrund der Gefährdung von Leben oder Gesundheit nicht nur die physische Gesundheit, sondern auch die psychische Gesundheit mitumfasst.

An dieser Stelle verweisen wir auf die DRINGLICHE STELLUNGNAHME ZUR IMPFBEFREIUNG des Fachausschusses „Psychosozialer Beratungsstab“ des Obersten Sanitätsrats (OSR) mit folgendem Fazit: Es gibt keine psychiatrische Indikation zur Impfbefreiung.
Somit kann der Ausnahmegrund der Gefährdung von Leben oder Gesundheit nicht die psychische Gesundheit umfassen.

Gleichzeitig müssen wir noch besonders hervorheben, dass für Menschen mit psychischen Erkrankungen bzw. Menschen, die sich vor einer Impfung in besonderem Maße ängstigen, eine Information und Beratung zur Verfügung gestellt werden muss. Frei nach dem Grundsatz in diesem ME „Beraten statt Strafen“ (vgl. EB zum ME, Seite 10) gehört dieser Aspekt in besonderem Maße beachtet.

§ 3 – Ärztliche Bestätigung
An dieser Stelle verweisen wir ebenfalls auf die DRINGLICHE STELLUNGNAHME ZUR IMPFBEFREIUNG des Fachausschusses „Psychosozialer Beratungsstab“ des OSR mit folgendem Fazit: Es geht um die Berufsgruppen, die Impfbefreiungen erstellen können - aus unserer Sicht wie ebenso auch aus der Sicht der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie sollte die Psychiatrie bzw. sollten die Psychiater*innen aus der Gruppe jener Ärzt*innen im entsprechenden Gesetzentwurf herausgestrichen werden, die Impfbefreiungen ausstellen dürfen. Da es keine psychiatrische Indikation zur Impfbefreiung gibt, macht es daher auch keinen Sinn, dass Psychiater*innen eine solche ausstellen können sollten.

Im selben Atemzug, ebenfalls bereits in der DRINGLICHE STELLUNGNAHME ZUR IMPFBEFREIUNG des Fachausschusses „Psychosozialer Beratungsstab“ des OSR kommuniziert, erachten wir es als nicht dienlich, sämtliche Vertragsärzt*innen oder Vertrags-Gruppenpraxen die Attestierung von Ausnahmetatbeständen vornehmen zu lassen. Die ärztliche Bestätigung sollte entweder von Amtsärzt*innen oder Chefärzt*innen des jeweils zuständigen Sozialversicherungsträgers erfolgen.

§ 6 – Erinnerungsschreiben
Zum Thema Beratung und Information schließen wir uns vollinhaltlich den Ausführungen des Österreichischen Behindertenrats (ÖBR) an und schlagen vor, den § 6 Abs 1 und 2 wie folgt durch einen zusätzlichen Absatz 3 zu ergänzen:
(3) Die Informationen und Erinnerungsschreiben sind sowohl in Leichter Sprache als auch digital zu versenden. Informationen und Beratungsangebote sind umfassend barrierefrei zur Verfügung zu stellen.

§ 8 – Strafverfahren
In § 8 Abs 1 wird ein vereinfachtes Verfahren mit einer Geldstrafe von bis zu 600 Euro festgesetzt, lt. § 8 Abs 2 können durch Verordnung des Bundesministers Personengruppen bezeichnet werden, hinsichtlich derer im vereinfachten Verfahren eine geringere als die in Abs 1 (600 Euro) genannte Strafhöhe festzusetzen ist.

In den EB zum ME wird auf Seite 11 bei diesen Personengruppen insbesondere an Jugendliche, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, gedacht.

Wir weisen explizit darauf hin, dass bei dieser Strafbemessung auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten und Rahmen verschiedener noch nicht vollständig selbsterhaltungsfähiger und armutsgefährdeter bzw. manifest armer Bevölkerungsgruppen geachtet wird. 600 Euro entsprechen der (gesamten) monatlichen Lehrlingsentschädigung im 1. Lehrjahr, knapp 60 % des Ausgleichszulagenrichtsatzes (1.030,49 Euro) bzw. ca. 2/3 der Höhe der Sozialhilfe (für Alleinstehende). Hier bedarf es entweder einer maximalen Deckelung in % des verfügbaren Einkommens/der verfügbaren Transferleistung zur nicht nachhaltigen Armutsverschlechterungsdynamisierung oder – von der anderen Seite der Strafbemessung hergedacht – einer Gleichschaltung mit der in § 7 Abs 1 normierten Regelung der Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse (Vermögensverhältnisse sind bei den beiden hier angesprochenen Zielgruppen ohnedies nicht der Fall). Wenn diese nicht berücksichtigt werden, ist davon auszugehen, dass der Fall der Uneinbringlichkeit zum Standardfall für diese Zielgruppen wird.

Weiters weisen wir zusätzlich darauf hin, dass Menschen mit Beeinträchtigungen/Behinderungen neben ihrem (teils sehr) vulnerablen Status ebenfalls (in der Regel) zur armutsgefährdeten respektive manifest armen Bevölkerungsgruppe zählen.

Eine einfache Lösung wäre, dass sämtliche Personengruppen, die z. B. eine Rezeptgebührenbefreiung gemäß § 4 Abs 1 Z 2 und 2 RRZ 2008 (Richtlinien für die Befreiung von der Rezeptgebühr gemäß § 31 Abs 5 Z 16 ASVG) besitzen, weil ihre monatlichen Nettoeinkünfte 1.030,49 Euro (für Alleinstehende) bzw. 1.625,71 (für Ehepaare bzw. Lebensgefährt*innen) nicht übersteigen, von der Strafbemessung ausgenommen werden. Dies würde u. a. auch Verwaltungskosten der Bürokratie einsparen, weil/wenn Geldstrafen ohnedies uneinbringlich sind/sein werden.

Es ist nicht davon auszugehen, dass unverhältnismäßige Strafhöhen für sozioökonomisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen dem Gedanken/Ziel, damit „den Unrechtgehalt angemessen widerzuspiegeln“ (vgl. EB zum ME, Seite 10), in der Realität dieser Menschen dementsprechend ankommt bzw. deren Lebensrealität entspricht/trifft. Da an mehreren Stellen dieser ME die Umwandlung von einer Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe ausgeschlossen ist und eine Uneinbringlichkeit bereits mitkalkuliert ist, sollte somit auch angemessen auf die hier angeführten sozioökonomisch benachteiligten Bevölkerungsgruppen eingegangen werden und dem Grundsatz „Beraten statt Strafen“ (vgl. EB zum ME, Seite 10) mehr Beachtung geschenkt werden als disziplinarisch anmutende Versuchen der Eintreibung von Geld, die sehr wahrscheinlich ins Leere gehen.

§ 10 Abs 1 – Durchführung von Impfungen, Thema „niederschwellige Impfangebote“
Zum Thema „niederschwellige Impfangebote“ schließen wir uns vollinhaltlich den Ausführungen des Österreichischen Behindertenrats (ÖBR) an und schlagen vor, dazu in § 10 Abs 1 nach dem ersten Satz, folgende Satz einzufügen:
Der Landeshauptmann hat für Personen, die nicht aus eigener Kraft ihre Wohnung verlassen können, aufsuchende Impfmöglichkeiten bereitzustellen.

§ 10 Abs 3 – Impfen und Arbeitszeit
§ 10 Abs 3 regelt lt. ME die Verpflichtung für Arbeitgeber*innen, Arbeitnehmer*innen während der für die Schutzimpfung gemäß § 1 einschließlich der An- und Abreise erforderlichen Zeit unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeit freizustellen.

Diese Verpflichtung sollte dahingehend ergänzt werden, dass diese Dienstzeit sowohl im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber*in und Arbeitnehmer*in als auch unter möglichster Schonung der Betriebsabläufe zu erfolgen hat.

Arbeitsrecht und Haftungsrisiko des/r Arbeitgeber*in gegenüber Arbeitnehmer*innen und Vertragspartner*innen

Zum Thema „Arbeitsrecht und Haftungsrisiko“ schließen wir uns vollinhaltlich den Ausführungen der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ), die wir aufgrund der immensen Wichtigkeit an dieser Stelle nochmals wortgleich wiedergeben möchten – inkl. einer wichtigen Ergänzung seitens des ÖBR am Ende dieses Kapitels, der wir uns ebenfalls anschließen:

Das Arbeitsministerium geht Medienberichten zufolge davon aus, dass die Impfpflicht keine Auswirkungen auf das Arbeitsrecht haben wird. Es gäbe nur Verwaltungsstrafen, wenn jemand die Impfung gegen Covid-19 verweigere (Siehe bspw. Impfpflicht und Arbeitsrecht, orf.at, 6.12.2021, https://kaernten.orf.at/stories/3133231/).

Gerade im Zusammenhang mit der Impfpflicht stellen sich zahlreiche arbeitsrechtliche Problemstellungen, weil zu diesem Thema noch keinerlei Judikatur und nur sehr wenig Literatur vorliegt. Auch von Arbeitsrechtsexpert*innen wird das Zusammenspiel des Impfpflichtgesetzes mit dem Arbeitsrecht unterschiedlich beurteilt (Siehe bspw. Die Impfpflicht und der Arbeitsplatz: Juristen rechnen mit vielen Rechtsstreitigkeiten, Der Standard, 14.12.2021, https://www.derstandard.at/story/2000131882977/die-impfpflicht-und-der-arbeitsplatz-juristen-rechnen-mit-vielen-rechtsstreitigkeiten).

Fest steht, dass die Impfpflicht durchaus Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben wird. Es braucht daher arbeitsrechtliche Begleitregelungen zum Impfpflichtgesetz.

Möglicher Verlust des Entgeltanspruchs
So stellt sich beispielsweise die Frage, ob ein/e Arbeitnehmer*in den Entgeltanspruch verliert, wenn sie nicht geimpft ist und schwer an Corona erkrankt. Zu prüfen ist, ob es sich um grobe Fahrlässigkeit handelt, wenn die Impfung nicht in Anspruch genommen wird. Es darf dabei keinesfalls dem/r einzelnen Arbeitgeber*in obliegen, diese Frage zu beurteilen.

2G oder 3G am Arbeitsplatz?
Offen ist auch, ob die aktuell aufgrund der 6. Covid-19-Schutzmaßnahmenverordnung geltende 3G-Regel bzw. in einzelnen Bereichen 2,5G-Regel weiterhin gelten wird oder ob zukünftig aufgrund der Impfpflicht eine 2G-Regel einzuhalten ist. Von der Klärung dieser Frage, ist auch die arbeitsrechtliche Beurteilung abhängig. Darf der/die Arbeitgeber*in Arbeitnehmer*innen ohne 2G-Nachweis einlassen, reicht weiterhin ein PCR-Test oder in manchen Bereichen sogar ein Antigentest einer befugten Stelle als Nachweis aus?

Haftung des/r Arbeitgeber*in gegenüber Beschäftigten oder Dritten
Zu klären ist auch, ob – wenn der/die Arbeitgeber*in auf die Einhaltung der in der jeweils gültigen (Schutz)maßnahmenverordnung vorgesehenen Maßnahmen achtet – den/die Arbeitgeber*in ein Haftungsrisiko gegenüber anderen Arbeitnehmer*innen oder Dritten trifft, wenn der/die Arbeitnehmer*in nicht geimpft ist und jemand anderen ansteckt.
Arbeitnehmer*innen, die der Impfpflicht nicht nachkommen, handeln rechtswidrig. Sind Maßnahmen, die nach der jeweils geltenden Verordnung gesetzt werden, ausreichend oder ist die Rechtswidrigkeit, die ein/e Arbeitnehmer*in durch die Verweigerung der Impfung setzt, vom/von der Arbeitgeber*in aufzugreifen?
Erfordert die Impfpflicht ein höheres Maß an Schutzmaßnahmen für nicht geimpfte Arbeitnehmer*innen?
Abseits der jeweiligen (Schutz)Maßnahmenverordnung hat der/die Arbeitgeber*in aufgrund der Fürsorgepflicht im Arbeitsverhältnis alle Arbeitnehmer*innen vor einer Ansteckung zu schützen. Einerseits muss der/die Arbeitgeber*in Arbeitnehmer*innen davor schützten, dass nicht einzelne impfunwillige Arbeitnehmer*innen andere Arbeitnehmer*innen anstecken. Trifft den/die Arbeitgeber*in eine Haftung, wenn der/die einzelne impfunwillige Arbeitnehmer*in andere Arbeitnehmer*innen ansteckt? Wieweit hat der/die Arbeitgeber*in hier Vorsorge zu treffen?
Andererseits könnte den Arbeitgeber eine Haftung gegenüber den einzelnen ungeimpften Arbeitnehmer*innen treffen, wenn sich diese im Rahmen der Ausübung Ihrer Arbeitsleistung mit Covid-19 anstecken. Hat die Impfpflicht in diesem Zusammenhang eine Auswirkung?
Gegenüber seinen Vertragspartner*innen trifft den/die Arbeitgeber*in eine Schutz- und Sorgfaltspflicht. Zivilrechtlich hat der/die Arbeitgeber*in für seine Arbeitnehmer*innen iSd Gehilfenhaftung einzustehen und haftet schadenersatzrechtlich auch für seine Arbeitnehmer*innen. Wird der Arbeitgeber schadenersatzpflichtig, wenn er ungeimpfte Arbeitnehmer*innen beschäftigt, und diese stecken Klient*innen mit Covid-19 an? Welche Maßnahmen sind diesbezüglich zu treffen?
Zusammenfassend stellt sich somit die Frage, ob der/die Arbeitgeber*in impfunwillige Arbeitnehmer*innen überhaupt noch beschäftigen darf oder mit einer derartigen Beschäftigung gegen die Fürsorgepflichten gegenüber anderen Arbeitnehmer*innen sowie gegen die Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber Dritten (Vertragspartner*innen, Klient*innen, Patient*innen) verstößt und damit selbst rechtswidrig handelt. Oder hat die Impfpflicht – weil dies ausdrücklich als Verwaltungsübertretung ausgestaltet ist – keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis, auf die Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und einzelne impfunwillige Arbeitnehmer*innen, auf die anderen Arbeitnehmer*innen und zwischen Arbeitgeber und Dritte (Vertragspartner*innen, betreute Klient*innen etc)? Wie ist diese Frage zu beurteilen, sollte keine (Schutz)maßnahmenverordnung mehr gelten?
Zu klären wäre auch, ob es für diese Beurteilung relevant ist, wer die Vertragspartner*innen sind. Hat es Auswirkungen auf die Frage des Haftungsrisikos und ob der/die Arbeitgeber*in impfunwillige Arbeitnehmer*innen beschäftigen darf, dass im Rahmen der Dienstleistungserbringung bspw. Kontakt mit vulnerablen Personengruppen oder nicht impfbaren Kindern besteht?

Anfechtung bei Kündigung
Wenn der/die Arbeitgeber*in nicht geimpfte MitarbeiterInnen aus den angeführten Gründen nicht mehr beschäftigen kann, so bleibt das Risiko eines allfälligen Anfechtungsverfahrens, wenn der/die Arbeitgeber*in ungeimpfte Mitarbeiter*innen kündigt. Grundsätzlich ist dafür zwar keine Begründung erforderlich, allerdings liegt gerade im Bereich von Kündigungen iZm Covid-19 und Impfverweigerung noch keinerlei Judikatur vor. Ob eine Entlassung gerechtfertigt wäre, ist ebenfalls ungeklärt.

Fazit
Es besteht daher die Notwendigkeit, klare Bestimmungen im Impfpflichtgesetz zu den arbeitsrechtlichen Auswirkungen zu schaffen, damit sowohl den Arbeitgeber*innen als auch den Arbeitnehmer*innen Rechtssicherheit gewährt wird. Zumindest ist aber im Impfpflichtgesetz klarzustellen, dass für das Arbeitsverhältnis weiterhin die arbeitsrechtlichen Bestimmungen sowie die jeweils geltende (Schutz)maßnahmenverordnung maßgeblich sind. Sorgt der/die Arbeitgeber*in für die Einhaltung dieser in der jeweiligen Verordnung geltenden Schutzmaßnahmen, kommt er seinen Fürsorge- sowie sonstigen Schutz- und Sorgfaltspflichten nach und läuft nicht Gefahr aufgrund der Nichteinhaltung der Impfpflicht durch einzelne Arbeitnehmer*innen schadenersatzpflichtig zu werden.

Ergänzung seitens des ÖBR
Nicht zu vernachlässigen ist auch die – durchaus legitime und verständliche – Forderung des ÖBR, dass man ab einem gewissen Stichtag nicht mehr in Branchen, in denen körpernahe Dienstleistungen für vulnerable Personengruppen erbracht werden arbeiten darf. Auch diese Situation wird/würde arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen – und ist nicht ganz fremd.
Solche Verpflichtungen bestehen bei verschiedenen Gesundheits- und Krankenpflegeberufen – vgl zB §§ 27 u 85 GuKG oder § 3 MTD-Gesetz, wo es um die für die Erfüllung der Berufspflichten notwendige Vertrauenswürdigkeit geht. Das Vorsehen von Zugangsvoraussetzungen für die Ausübung bestimmter Berufe ist insofern nichts Neues - nach § 17 Abs 4 EpiG könnte ja auch die Bezirksverwaltungsbehörde für in der Krankenbehandlung tätige Personen sogar Schutzimpfungen vorschreiben.

Datenschutz und Impfpflichtgesetz
Zum Thema „Datenschutz (und Impfpflichtgesetz)“ schließen wir uns ebenfalls vollinhaltlich den Ausführungen der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ), die wir aufgrund der immensen Wichtigkeit- auch in der Zusammenschau mit dem vorigen Kapitel bezüglich Arbeitsrecht und Haftung – an dieser Stelle nochmals wortgleich wiedergeben möchten:

Mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang steht die Frage zum Datenschutz. Trifft den/die Arbeitgeber*in – wie oben beschrieben – eine Verpflichtung den Impfnachweis zu kontrollieren bzw. haftet der/die Arbeitgeber*in, weil er/sie ungeimpfte Arbeitnehmer*innen beschäftigt hat und diese andere Arbeitnehmer*innen oder Klient*innen anstecken bzw. weil diese sich selbst mit dem Coronavirus infizieren, so muss es datenschutzrechtlich jedenfalls erlaubt sein, den Impfnachweis zu erheben, zu verarbeiten und zu speichern.
Dafür braucht es eine Bestimmung im Impfpflichtgesetz, alles andere wäre nicht praktikabel und könnte der/die Arbeitgeber*in seinen Verpflichtungen nicht nachkommen.
Hat die Impfpflicht keine Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis und wird dies im Gesetz auch klargestellt, so bräuchte es in der (Schutz)Maßnahmenverordnung eine datenschutzrechtliche Regelung, wonach der 3G-Nachweis und damit auch der Impfnachweis erhoben, verarbeitet und gespeichert werden darf. Auch diesbezüglich herrscht in der Praxis erhebliche Unsicherheit, weshalb eine Regelungdringend erforderlich ist.


Als mögliche Regelung unterstützen wir den SWÖ-Vorschlag, der vom Datenschutzexperten Dr. Pilgermair entwickelt wurde. Dafür könnte ein neuer Paragraf eingefügt werden:

§ 11 Datenverarbeitung im Arbeitsverhältnis
(1) Arbeitgeber von Personen, die der Impflicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen, sind dazu ermächtigt, folgende Kategorien personenbezogener Daten zum Zweck der Kontrolle des Betretens von Arbeitsorten und der Verwaltung von COVID-19-Präventionskonzepten gemäß § 1 Abs. 4 und 5 Z 5 lit. b COVID-19-Maßnahmengesetz, der Erfüllung der Pflicht zur Auskunftserteilung gemäß § 5 Abs. 3 Epidemiegesetz 1950 sowie der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. f Datenschutz-Grundverordnung zu verarbeiten:
1. Vor- und Nachname,
2. Personalnummer,
3. Vorliegen einer Schutzimpfung,
4. Gültigkeitsdauer einer Schutzimpfung.
(2) Arbeitgeber haben geeignete Maßnahmen gemäß Art. 32 Datenschutz-Grundverordnung zu treffen, die den Schutz personenbezogenen Daten gemäß Absatz 1 gewährleisten, und sicherzustellen, dass Daten, die für die im Absatz 1 angeführten Zwecke nicht mehr benötigt werden, unverzüglich gelöscht werden.
(3) Eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten gemäß Absatz 1 für andere als die im Absatz 1 angeführten Zwecke ist unzulässig.

pro mente Austria bedankt sich für die Möglichkeit, eine Stellungnahme zu dem Begutachtungsentwurf abgeben zu dürfen und ersucht um Beachtung der angeführten Themen und Argumente. Selbstverständlich sind wir sehr gerne bereit, unsere Expertisen aus dem psychosozialen Bereich in den abschließenden Gesetzwerdungsprozess einzubringen und würden über eine dementsprechende Einbindung freuen.

Mit den besten Grüßen

PD Dr. Günter Klug - Präsident
MMag. Gernot Koren MAS - Vizepräsident
Eva Leutner MAS - Vorstandsmitglied
Mag. Magdalena Mißbichler - Univ.-Ass.

Download der Stellungnahme als PDF-Dokument