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Stellungnahme von pro mente Austria zur Regierungsvorlage des Bundesgesetzes vom 5.5.2017

Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem die Insolvenzordnung, das Gerichtsgebührengesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und die Exekutionsordnung geändert werden (Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2017 – IRÄG 2017) (1588 d.B.)

Sehr geehrte Damen und Herren,
Bezüglich sowohl der Grundsätze als auch der Inhalte der Stellungnahme zum Insolvenzrechtsänderungsgesetzes (IRÄG 2017) schließt sich pro mente Austria, österreichischer Dachverband für psychische und soziale Gesundheit, an die Ausführungen der Armutskonferenz an:

Aus Sicht von pro mente Austria ist die mit dem IRÄG 2017 geplante Vereinfachung des Privatkonkurses ein wichtiges Mittel, um Armut zu verhindern. Viele Jahre lang war Österreich im europäischen Vergleich in Bezug auf die Quote und Verfahrensdauer ein unrühmliches Schlusslicht. Kaum sonst bestehen noch Mindestquoten und die Verfahrensdauer liegt in anderen europäischen Ländern deutlich niedriger.

Nun soll durch die Novelle unter anderem die bisherige Mindestquote von zehn Prozent ersatzlos gestrichen und das Abschöpfungsverfahren von bisher sieben auf drei Jahre verkürzt werden. Damit wird die Schuldenregulierung endlich auch jenen Menschen zugänglich gemacht, die derzeit davon ausgeschlossen waren.

Schuldenregulierung wird auch für Menschen mit niedrigem Einkommen ermöglicht
Vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen wie Arbeitslose, MindestpensionistInnen oder AlleinerzieherInnen, ist die 10 % Mindestquote bei der Rückzahlung oft nicht erreichbar. Für sie werden die Schulden durch die Zins- und Kostenspirale immer mehr und eine Rückzahlung zu Lebzeiten immer unwahrscheinlicher. Derzeit werden diese Menschen über Jahre oder Jahrzehnte bis zum Existenzminimum gepfändet und leben damit unter der Armutsgrenze.

Aus der Sicht von pro mente Austria ist es höchst an der Zeit, diese Armutsfalle zu beseitigen, da sie einen Neustart gerade für einkommensschwache Personen fast unmöglich macht. Zudem dauert das Verfahren nirgendwo sonst in Europa so lange und kaum wo existiert eine Mindestquote als Entschuldungshürde. In den meisten europäischen Staaten ist hingegen eine Tendenz der Entschuldungsdauer von etwa fünf hin zu drei Jahren auszumachen.

Erleichterung des Privatkonkurses als arbeitsmarktpolitische Maßnahme
Während der Arbeitslosigkeit ist es für einen großen Teil der Betroffenen nicht möglich eine Privatinsolvenz zu beantragen, da ihr Einkommen unter dem Existenzminimum liegt und sie daher keine Aussicht auf Erreichung der Mindestquote haben. Für viele dieser Arbeitssuchenden ist es aber wichtig, bereits in der Arbeitslosigkeit ihre Schuldenregulierung zu beginnen. Dadurch würden die zahlreichen Lohnexekutionen – die oft eine wesentliche Hürde beim (Wieder-) Einstieg in den Arbeitsmarkt darstellen – wegfallen. Eine rasche und nachhaltige Entschuldung wäre deutlich leichter zu erreichen. Zudem wäre eine Schuldenregulierung während der Arbeitslosigkeit ein wichtiger Motivationsschub, um eine Arbeit anzunehmen.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass in § 201 Abs 1 Z 2a IO ein neues Einleitungshindernis definiert wird, das den SchuldnerInnen einen strengen Maßstab an die Ausübung einer angemessen Tätigkeit bzw. das Bemühen darum auferlegt. Wenn schon zu Beginn des Verfahrens auf die Beschäftigungssituation abgestellt wird und die Einleitung eines Verfahrens davon abhängig gemacht wird, so ist in der beabsichtigten Bestimmung unbedingt zu ergänzen, dass dieses Einleitungshindernis nur dann zum Tragen kommen darf, wenn dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wird.

Ansonsten können SchuldnerInnen unter Druck gesetzt werden, die (auch, wenn sie sich maximal anspannen würden) kein Einkommen oberhalb der Pfändungsgrenze erzielen könnten.

Analog zu § 211 Abs 1 Z2 IO sollte dem neuen Einleitungshindernis folgende Formulierung beigefügt werden: „…und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt.“

Auch bei bestehenden Arbeitsverhältnissen sind die geplanten Erleichterungen für viele Betroffene eine wichtige Maßnahme zum Erhalt des Arbeitsverhältnisses. Denn in Zukunft können auch Menschen, deren Einkommen unter dem Existenzminimum liegt (GeringverdienerInnen und/oder Menschen mit zahlreichen Unterhaltspflichten), eine Privatinsolvenz beantragen. Dadurch fällt die (psychische) Belastung der „explodierenden“ Schulden weg und die Betroffenen können hochmotiviert ihren Arbeitsplatz absichern.

Arbeitsmarkt und Gleichstellungspolitik
Die arbeitsmarktpolitischen Argumente gelten im Besonderen für arbeitssuchende Frauen und für Frauen in Beschäftigung, da sie im Durchschnitt über ein geringeres Einkommen verfügen und bei gleicher Verschuldung durch eine Mindestquote noch öfter als Männer von der Schuldenregulierung ausgeschlossen sind.

Beratungsleistungen müssen sichergestellt werden
Gefährdete Haushalte und überschuldete Familien im Speziellen und brauchen langfristig gesicherte Beratungsstellen mit ausreichenden Kapazitäten zur umfassenden und professionellen Beratung und Begleitung bei den Schuldenregulierungsverfahren. Die Umsetzung der gerichtlichen Schuldenregulierungsverfahren erfolgt zu 70% führend durch die Inanspruchnahme einer staatlich anerkannten Schuldenberatung. Die Schuldenberatungen arbeiten jedoch schon seit Jahren am Limit. Aus unserer Sicht braucht es daher eine Erhöhung der Ressourcen für die Schuldenberatungen, damit es für die Betroffenen zu keinen unnötigen Verzögerungen aufgrund von Wartezeiten bei der Beratung kommt. Denn rasche Hilfe ist die beste Hilfe!

Der Dachverband pro mente Austria unterstützt – analog zu Stellungnahme der Armutskonferenz - aus den angeführten Gründen die Novelle der Privatinsolvenz, da diese allen Menschen – unabhängig von deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit – die Chance auf einen Neustart bietet.

Mit freundlichen Grüßen
Prof. Univ.-Doz. Dr. Werner Schöny
Präsident pro mente Austria

Download der Stellungnahme als PDF-Dokument